Wo man doch überall kreativ sein kann …

Um das vorweg zu sagen, ich schätze die Firma Adobe. Ich schreibe und gestalte beinahe alles mit deren InDesign®, ich mag die Allgegenwärtigkeit ihres Acrobat-Reader®-PDF-Programms, und wenn es einmal mehr sein soll als ein Bild zu beschneiden, nutze ich Photoshop®. Überdies habe ich gestern entdeckt, dass man das ®-Zeichen aufs Einfachste in das WordPress®-Blog-Programm einfügen kann (das ist mal nicht von Adobe!), und so verteile ich das flugs und flächendeckend, um die Laune zu heben.

Denn solche Brieflein, wie Sie sie rechts sehen (per Mausklick vom iPhone®), treiben mich wild um. Mag ja sein, dass die Adobe-Programme wirklich als Kreativ-Tools bezeichnet werden dürfen, ich kenne manchen Grafiker, der mit Adobes sogenannter Creative Suite sehr schöpferisch und eigenwillig zu hantieren vermag. Aber was mutet man mir zu?

Ich soll nicht nur kreativ sein, ich soll auch noch kreativ bestellen. Soll ich meine Maus bunt pinseln und lustige Knöpfchen drücken bei der Eingabe der Kreditkarten-Daten? Soll ich mir kreativ eine Summe ausdenken, die ich für diese sauteure Suite zu zahlen bereit bin? Soll ich das kreativ finden, wenn ich zwischen Tages-, Wochen-, Monats-, Jahres-, Dekaden- oder Lebens-Abo wählen darf?

Himmel Herrgott, ich bin nicht kreativ, ich bin Handwerker. Ich werke mit Kopf und Hand. Das reicht. Also,  wie bitte bestelle ich kreativ? Was für ein Unwort!

In den Siebziger und Achtziger Jahren galt jeder als kreativ, der seinen Namen orthografisch einwandfrei auf ein T-Shirt batiken konnte. Sie wissen nicht mehr, was Batik ist? Sie Glücklicher – schauen Sie hier! Jeder klobigste Aschenbecher, der aus Ton bei Selbstfindungs-Seminaren in der Toskana getöpfert wurde, galt als kreatives Meisterwerk der Verwirklichung einer total verkopften Generation (ey, Du bist ja total verkopft, ey …). Jede Bauchpinselung mit langgezogenem Ohhhhhmmmmmm®, im indischen Poona® bei den Baghwans® rotgewandet ausgeübt, galt als kreativ. Und wenn Ede aus Hamburg-Barmbek seinen Golf IV® mit einem Totenkopf verzierte, nannte er diese Pinselei sicherlich auch echt kreativ, Alda. Es gibt gewiss Anti-Burnout®-Veranstaltungen für überforderte Finanzbeamte, bei denen das Malen nach Zahlen mit ebendiesem Adjektiv versehen wird.

Abgeregt. Kreativ ist ein Unwort. Punkt. Es hat in der Sprache nur etwas zu suchen, wenn man damit wirklich schöpfende schöpferisch tätige Menschen bezeichnet.

Heute hat kreativ seinen Rang als Unwort abgegeben an das Wort nachhaltig. In dem Moment, als amerikanische Marketender das Wort sustainability in Power-Point®-Präsentationen hochschwappen ließen, hatte die Kreativität ausgedient. Nun ist alles nachhaltig. Willkommen, neues Unwort!

Und wissen Sie, was nach nachhaltig kommen wird? Werthaltig. Das ist die Umschreibung der omnipräsenten Berater-Riege für alles, was Geld abwirft. Hallo, Profit! Du bekommst ein neues Mäntelchen – dann bist Du zwar immer noch unser aller Goldenes Kalb®, aber Du siehst besser aus.

Sind wir nicht irre kreativ?

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