Was hat Aphrodite mit Rocco Stark zu tun?

130211_Zypern

Wir blicken heute mal in die Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die FAZ, die altehrwürdige, die zwar alt ist, aber jene Konnotationen missen lässt, die klassischerweise mit dem Begriff altehrwürdig verbunden sind. Wer sonst als die FAZ wagt es, mit einer solchen Überschrift zu kommen, mit Zypernentsprossene, und dabei nicht einmal peinlich zu wirken.

Als jemand, der in einem Zeitungsverlag, redaktionell, gelernt hat, damals in den Achtzigern, weiß ich, dass solch Zeitungmachen die pure Lust ist. Da sitzt jemand, der sich des Themas Zypern annimmt, voll der klassischen Bildung, die Frau oder der Mann … und sinniert. Heraus kommt nicht etwa … in Zypern geboren .., nein, dem Land entsprossen. Und wir vergleichen mit dem, was der Duden uns sagt: aus etwas hervorgehen: [aus] der Ehe sind vier Kinder entsprossen. Beachten Sie bitte die eingeklammerte Präposition aus: Der Dativ … wem ist etwas entsprossen? Der Ehe … Zypern … ist die weitaus elegantere Wortbildung. Das Wörterbuch canoo.net übrigens, lediglich digital nutzbar, gibt entsprossen nur als Adjektiv aus; richtig ist wohl, dass es sich um das Partizip von entsprießen handelt.

Bildschirmfoto 2013-02-13 um 09.15.48Feiern wir aber vor allem die deutsche Sprache, die solche Konstruktionen möglich macht; sie werden – zumindest von den Lesern der FAZ und dieses Tagebuchs – verstanden. Im Ausschnitt links sehen Sie, dass entsprossen durchaus noch verwendet wird im Deutschen. Das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache, kurz: DWDS, hilft dabei, Fundstellen zu sortieren – eine wunderbare Leistung der Wissenschaftler.

Nun, klingt Zypernentsprossene manieriert? Aber selbstverständlich! Einige nennen es manieriert, einige nennen es gehobenes Deutsch, bildungssprachlich. In dasselbe Horn stößt auch der Anfang der Bildunterschrift:  Schuldentragödienfähigkeit, ein Wort mit neun Silben, das gewiss noch nie vorher irgendwo geschrieben stand: die Fähigkeit, eine Tragödie um Schulden (und eben nicht klassisch-griechisch: Schuld) zu inszenieren.

So etwas ist nichts für Leute wie einen Rocco Stark, ein Bürschlein, das sich für wichtig hält, weil schon seine Eltern meinten, sich in der bunten Presse (be)klatschen und hauen zu müssen. Rocco Stark ist in der vergangenen Nacht Vater geworden und trällert hinaus: Es war so geil, obwohl wir spontan einen Kaiserschnitt machen mussten. Die Kleine hat sich ein bisschen gewehrt, es gab leichte Komplikationen. Aber letztlich ging alles gut und Mama und Amelia sind wohlauf. Sie ist so so süß und hat total viel von mir! Übrigens, ich bin sicher, dass die Kollegen der Bild (aus deren Online-Ausgabe dieses Zitat stammt) Herrn Stark Formulierungshilfe haben geben müssen; das Wort Komplikationen ist zu kompliziert für ihn; das hat der nicht im aktiven Wortschatz. Er wird im Original problems gesagt haben, reinstenglisch! Und Amelia? Das Frischlinglein wird kein leichtes Leben haben, wenn sie total viel von ihrem Vater hat. Sie ist eine Ochsenknecht, die Kleine!

Wir lesen hier den Unterschied zwischen Bildungsbürgertum und neuzeitlichem Dampf-Geblahe. Mir ist das Bildungsbürgertum weitaus lieber.

Ist das arrogant? Aber sicher!

Und mit dieser leichten Arroganz las ich dann den zweiten Satz des Textes, beginnend mit Aphrodite. Ich schreibe ihn hier nicht auf. Jesus, Maria! Da muss man zwei Mal lesen. Fehlerfrei ist er dennoch …

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